Schadstoffe in Kalkputzen?

In seinem Buch „Die Kalkputzlüge – Wohngesunden Kalkputz erkennen“ klärt Gerold Engist über das gesunde Wohnen und den Baustoff Kalk auf. Als Handwerker, die mit einem Naturprodukt arbeiten, ist bei uns die ständige Weiterbildung und Optimierung unserer Arbeit ein Muss. Dafür können wir auch Ihnen das Buch von Herrn Engist empfehlen. Heute bringen wir Ihnen auf der Basis dieses Buchs und unserer eigenen Erfahrung näher, weshalb die richtige Wahl eines hochwertigen Kalkputzes sorgfältig erfolgen muss.
Wir schlafen, arbeiten, essen, kochen und entspannen uns in geschlossenen Räumen. Somit umgeben wir uns den ganzen Tag mit den Materialen, die in den jeweiligen Räumen beim Bau verwendet wurden. In der Regel besteht ein Großteil dieser Produkte aus chemischen Stoffen, welche auch nach Jahren Schadstoffe abstoßen. Die Dosis macht das Gift, sagen die einen, doch wer legt fest, wann diese Dosis gefährlich wird und wie sieht es mit den Langezeiteffekten der Aussetzung verschiedenster Schadstoffe aus?
Das Baugewerbe ist einer der größten Abnehmer für chemische Stoffe, die gesundheitlich schädigen können. Für die Beschränkung und Zulassung chemischer Inhaltsstoffe in Bauprodukten ist REACH zuständig. REACH steht für „Registration, Evaluation, Authorisation & restriction of Chemicals“ auf Deutsch also die Registrierung, Evaluation, Autorisierung und Einschränkung von Chemikalien. Auf ihrer Website verdeutlicht diese europäische Organisation ihre Ziele. Eines davon ist, das die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf einem hohen Level vor chemischen Einflüssen geschützt werden muss. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, diejenigen, welche die Chemikalien in Umlauf bringen, zur Verantwortung zu ziehen. Hierfür wurden manche Substanzen innerhalb der EU verboten, während andere klaren Richtlinien und Grenzwerten unterstehen.
Doch welche Dosis der Chemikalien ist schädlich und welche noch zumutbar? Wer kontrolliert die Einhaltung der Richtlinien und hat einen Überblick über die laufend neuen Substanzen? Hierbei kommen einige Probleme auf. Zum Großteil sind Hersteller dazu angehalten, selbst die Einhaltung der Grenzwerte und der Konzentration der Inhaltsstoffe ihrer Produkte zu kontrollieren. Sie werden also keinen Tests durch außenstehende Parteien unterzogen. Bei Selbstkontrollen dieser Art sind Fehler vorprogrammiert, da diejenigen die kontrolliert werden auch die Geldgeber der Kontrolleure sind. Ein weiteres Problem ist der Lobbyismus, der große Auswirkungen auf die Festlegung der Schadstoffgrenzen hat. Für viele Produzenten in der Bauindustrie sind Schadstoffgrenzen ein Dorn im Auge. Wann immer es möglich ist, wirken sie mit, die Grenzwerte so niedrig zu setzten, dass ihre Produkte diese gerade so unterschreiten. Eine differenzierte Abstufung wie schädlich oder unschädlich Materialien sind, findet nicht statt. Hinzu kommt, dass sich die Liste der Chemikalien ständig erweitert, wodurch es schwer wird, einen Überblick zu behalten und alle Chemikalien zu testen.
Was bedeutet das speziell für den Kalkputz?
In vielen Fällen wird herkömmlichem Kalkputz beispielsweise aus dem Baumarkt Kunstharz beigemischt. Das ist möglich, da ein Produkt sich bereits ab einem Kalkanteil von 1-2%, Kalkputz nennen darf. Dem sollen Gütesiegel entgegen wirken. Doch die Standards gegenwärtiger Gütesiegel sind so gering, dass sie nur eine geringe Aussagekraft über die Qualität des Materials haben. Stattdessen ist beim Kauf wichtig, die genauen Inhaltsstoffe und deren Anteilige Zusammensetzung zu erfragen. Auch hier zeigt sich, dass die Industrie in vielerlei Hinsicht die Verantwortung für die Produktkontrolle dem Hersteller zuspricht.
Bei der Wahl Ihres Kalkputzes ist es also wichtig, lieber einmal mehr hin zu gucken und auch die Datenblätter und Inhaltsstoffe genau zu lesen. Man sollte sich nicht von ansprechenden Verpackungen und schönen Bildern der Natur beeinflussen lassen, denn dies soll häufig Nachhaltigkeit und Natürlichkeit suggerieren, ohne dieses Versprechen zu halten. Unserer Meinung nach werden Anwender nicht hinreichend geschützt, denn wo Kalkputz draufsteht, ist nicht immer Kalkputz drinnen.

Quellen:
https://www.hse.gov.uk/reach/whatisreach.htm
https://www.amazon.de/Die-Kalkputz-Lüge-Wohngesunden-Kalkputz-erkennen/dp/3750474370/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&dchild=1&keywords=die+Kalkputz&qid=1594106194&sr=8-1

Geschrieben von Marie Zentner

Nachhaltigkeit für Minirali

Foto: Carlotta Lundt